Was haben Regeln mit Freiheit zu tun?
Heute ist wieder Religionsunterricht bei Nele. Sie mag ihre Religionslehrerin und findet den Unterricht gut. Heute soll ein neues Thema anfangen. Noch hat die Religionslehrerin nicht verraten, um was es geht. Sie macht es diesmal spannend. Es geht an wie immer, mit Kerze und Lied im Stuhlkreis. Danach zieht die Religionslehrerin einen kleinen Tisch in die Mitte. Darauf baut sie ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel auf. Es wird durchgezählt: Gelb, Grün, Blau. Die Religionslehrerin spielt Rot. Dann geht das Spiel los. Rot fängt an. Dann das erste Kind mit Blau, das erste Kind mit Grün und das erste Kind mit Gelb. So geht es immer weiter. Würfeln, Männchen setzen, und das nächste Kind. Dann geschieht etwas Seltsames. Die Religionslehrerin hat einen Fünfer geworfen, zieht aber 6 Felder weiter und wirft eine blaue Spielfigur hinaus und setzt sie zurück auf Anfang. Die Kinder, die "die Blauen" sind, regen sich auf. Die Religionslehrerin zuckt nicht mit der Wimper. Nach einer kurzen Zeit wirft sie eine grüne Figur hinaus und hat schon wieder nicht richtig gezählt. Als dann auch noch eine gelbe Figur herausgeschmissen wird, weil sich die Religionslehrerin schon wieder verzählt hat, ist die Stimmung schlecht in der Religionsgruppe und die Aufregung groß. Die Religionslehrerin würfelt nicht mehr weiter. Sie lässt den Kindern Zeit und Raum für ihre Aufregung. Langsam ebbt es ab. Es wird ruhiger. Dann fragt die Religionslehrerin: „Wie fühlt ihr euch denn?“ Alle haben was zu sagen: „Das ist gemein gewesen!“ „Man muss sich an die Regeln halten, sonst macht es keinen Spaß!“ „Wenn wir das alle so gemacht hätten, dann hätten wir uns vielleicht am Ende sogar geprügelt." Die Religionslehrerin nickt: "Ja, ihr habt recht. Sich bei einem Spiel nicht an die Regeln zu halten, ist nicht gut." Und sie fragt: „Also sind Regeln gut? Denkt mal darüber nach. Jeder nimmt sich eins von den bunten Papierquadraten und schreibt auf, was ihr über Regeln denkt. Jeder, jede am Platz." Alle sind eifrig bei der Aufgabe. Es ist erstaunlich still in der Unterrichtsgruppe. Nachdem die Kinder fertig sind mit Schreiben, werden die beschrifteten Quadrate an die Tafel gepinnt und vorgelesen. Viele haben geschrieben, dass sie Regeln eigentlich blöd finden, z.b. zu einer bestimmten Zeit ins Bett zu müssen. Viele haben geschrieben, dass sie Regeln beim Spielen gut finden. Auch die Regeln in der Schule wurden von vielen als richtig empfunden. Verkehrsregeln wurden auch gelobt. Gemeinsam sprechen sie dann über den Sinn von Regeln. Und sie finden es sinnvoll, Regeln zu haben. Selbst die feste Zeit zum Schlafengehen findet Freunde. Und dann wird es spannend! Die Religionslehrerin schreibt an die Tafel: „Regeln schenken Freiheit!” Da staunen die Kinder. Freiheit? Man sieht die Fragezeichen in ihren Gesichtern. Die Religionslehrerin wartet, und dann platzt es aus den Kindern heraus: „Regeln sind doch eigentlich Verbote." „Genau: du sollst nicht im Unterricht schwätzen." „Oder du sollst nicht bei Rot über die Straße gehen." „Du sollst nicht mit den Straßenschuhen durch die Wohnung gehen." Immer mehr fällt den Kindern ein. Immer beginnt der Satz mit: "Du sollst nicht." Und das soll nun Freiheit sein? Die Religionslehrerin erinnert nochmals an den Beginn der Stunde und fragt: "War das nun Freiheit, als ich ständig mit anderen Regeln das Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel gespielt habe? Nein, die Kinder schütteln den Kopf. "Na, dann lasst uns doch mal nach der Freiheit suchen, die unter den Regeln versteckt sind. Dass Regeln gut sind, haben wir ja schon herausbekommen." Welche Freiheit ist hinter dem: "Du sollst nicht schwätzen", versteckt? Es ist still, so sehr denken die Kinder nach. Da fällt es Nele plötzlich ein und sie meldet sich: „Alle können gleich gut hören, was gesagt wird. Keiner, keine ist abgelenkt. Wir sind frei zum Denken und Lernen." Einige Mitschülerinnen nicken zustimmend. Im Lager der Jungs ist das nicht so. So schnell wollen sie die Freiheit hinter dem 'du sollst nicht', nicht erkennen. Doch dann fällt einem Jungen etwa ein: "Bei Rot an der Ampel zu stehen macht mich entspannter im Straßenverkehr. Ich muss nicht schauen und überlegen: schaffe ich es vor dem Auto noch über die Straße. Ich stehe und warte und denke was anderes. Das grüne Licht kommt ganz sicher." Dann meldet sich Inge, die Freundin von Nele: "Und bei den Straßenschuhen, die ich nicht in der Wohnung trage, nehme ich Rücksicht auf meine Mama. Da ist dann nicht so viel zu saugen, kehren oder putzen. Rücksichtnehmen schafft auch Freiheit, finde ich!" Die Religionslehrerin ist fürs Erste ganz zufrieden mit den Gedanken der Kinder. Zum Abschluss erzählt sie ihnen noch eine kleine biblische Geschichte, die mit Regeln, 'du sollst nicht', und mit Freiheit zu tun hat. Alle sitzen sie wieder im Sitzkreis und die Religionslehrerin fängt an. "Ihr wisst noch, wie Mose da Volk Israel aus Ägypten herausgeführt hat. Von der Sklaverei in die Freiheit. Einfach war das nicht. Erst die vielen Plagen, die in Ägypten zu überstehen waren, dann der plötzliche Aufbruch in der Nacht. Und dann die Angst am Schilfmeer, dass die Ägypter die Israeliten doch wieder einholen. Dramatisch war der Weg durch das Schilfmeer und die Freude über die Rettung war groß. Und nun war das Volk auf dem Weg in das Land, das Gott ihnen verheißen hat. Es ging mitten durch die Wüste. Da machte Gott Mose ein besonderes Angebot. Er wollte gerne mit seinem Volk, den Israeliten, einen Bund schließen. Eine Zusammengehörigkeitserklärung. Gott kümmert sich um sein Volk, das Volk bekennt sich zu Gott. Und dazu das Versprechen, dass sie nicht wieder als Sklaven arbeiten müssen, sondern frei und gut leben können. Es war am Berg Sinai. Alle Menschen lagerten am Fuße des Berges und sie waren sehr aufgeregt. Gott schließt einen Bund mit ihnen. Es geht um die Freiheit. Kinder, die Stunde ist um. Nächste Woche geht es weiter. Manche von euch wissen vielleicht schon, was wir dann besprechen. Es geht um Sätze, die Gott den Menschen damals am Berg Sinai gegeben hat." Schnell wird zusammengeräumt, das Abschiedslied gesungen, und schon stürmen die Kinder in den Gang und aus der Schule.
Nächste Woche erzählt uns Nele wieder aus ihrem Religionsunterricht. Es geht um die Gebote.
2. Mos 19 i.A.
5.7.2025