Ein Lied soll es werden. Schöpfung 1

"J e d i d a !" schallt es durch eine enge Gasse in Jerusalem. Jedidas Mutter ruft ihre Tochter. Es ist Zeit zum Abendessen und dann langsam zum Schlafenlegen.

Jedida kommt um eine Ecke gesprungen und rennt zur Mutter. "Ich bin ja schon da. Ich war noch bei meiner Freundin Dina. Was gibt es heute zu essen? Und wie ist eigentlich die Erde entstanden?" Das ist typisch für Jedida, möglichst viele Fragen, mit möglichst verschiedenen Inhalten. Die Mutter lächelt und grinst. "Zum Abendessen gibt es Fladenbrot, Oliven und ein paar Feigen und das kühle, frische Wasser, das du vorhin aus dem Brunnen geholt hast. Das ist eine schnelle Antwort auf eine einfache Frage. Doch wie die Erde entstanden ist, das kann ich dir nicht so schnell erklären. Lass uns beim Abendessen darüber reden."

Es ist heute ein eher stilles Abendessen nur Jedida, ihr Vater und ihre Mutter sind da. Als der größte Hunger bei allen gestillt ist, da fängt Jedida nochmals zu fragen an: "Wie ist eigentlich die Erde entstanden?"

Der Vater schaut sie erstaunt an. "Ja weißt du denn nicht, was in der Thora steht? Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde? Weißt du das wirklich nicht?"

Jedida schaut betreten drein. "Natürlich weiß ich das. Aber die Frage ist doch: War das wirklich so? Wer war denn dabei und hat das alles aufgeschrieben? Das kann keiner gewesen sein? Also damals am Anfang der Welt?"

Ein Lächeln huscht über das Gesicht des Vaters. "Ach so meinst du das. Jetzt verstehe ich deine Frage. Da hast du wohl recht, da war keiner dabei. Aber viele haben über die Frage nachgedacht, wie die Welt entstanden ist. Und diese vielen Gedanken sind dann in der Thora gelandet. Es ist eine spannende Geschichte wie der Text ganz am Anfang der Thora entstanden ist. Willst du sie wissen?"

"Eine spannende Geschichte?", fragt Jedida nach. "Du weißt doch ich liebe spannende Geschichten, Vater. Bitte erzähle sie mir. Fang doch bitte gleich an!"

Der Vater schenkt sich noch einen Becher mit dem frischen Wasser ein und setzt sich, zurückgelehnt an die Wand des Zimmers, in dem sie alle wohnen, gemütlich hin.

"Es war vor sehr langer Zeit. Und es war nicht hier in Jerusalem. Es war in der großen Stadt Babylon am Fluss Euphrat. Viele von uns Israeliten lebten damals dort. Die Babylonier hatten unsere wunderbare Stadt Jerusalem erobert, den Tempel geplündert und die meisten Einwohner gefangen genommen und nach Babylon gebracht. Da waren wir dann die Fremden mitten unter den Babyloniern. Die Fremden mit einer anderen Religion. Das alles ist jetzt fast 600 Jahre her."

Jedida hat aufmerksam zugehört, doch wird jetzt etwas ungeduldig. "Und das hat damit zu tun, wie die Erde entstanden ist?"

Der Vater lächelt wieder. "Das hat damit zu tun, wie die Geschichte entstanden ist, in der erzählt wird, wie die Erde entstanden ist. Ja! Damit hat das zu tun. Willst du weiter hören? Es ist eine längere Geschichte."

Jedida nickt ausgiebig und holt ihre Schlafmatte und rollt sie aus. "Ich mache es mir ein wenig gemütlich verkündet sie", und lümmelt sich auf die Matte.

"Damals in Babylon war alles anders. Die Babylonier glaubten an viele Götter. Marduk war der Chef-Gott, der oberste Gott. Und wir Israeliten glauben ja nur an einen Gott. Unseren Gott. Im Psalm 137 findet man eine Stelle, wo die Israeliten damals ihr Leid besangen: 'An den Flüssen von Babylon saßen wir und weinten, wenn wir an Jerusalem dachten.' So haben sie damals gedichtet. Alles war ganz anders. Die Stadtmauern, noch größer als die in Jerusalem, auf einem großen Turm gab es einen Tempel für den wichtigen Gott Marduk. Und jedes Frühjahr feierten die Babylonier ein großes Fest für ihre Götter. Es gab so eine Art Theateraufführung, in der dargestellt wurde, wie der Himmelsgott Marduk über die Wasserschlange Tiamat den Kampf gewann. Aus dem Leib der Schlange formte Marduk dann die Erde. Als den Göttern dann die Arbeit auf der Erde zu anstrengend wurde, erschufen die Götter der Babylonier die Menschen, die mussten dann die Arbeit übernehmen, tagein, tagaus. Immer in Angst vor den unberechenbaren Göttern."

Jedida gruselte sich ein wenig bei der Erzählung. Der Vater sah es genau.

"Siehst du, genauso wie dir ging es damals den Kindern der Israeliten in Babylon. Jedes Jahr die gruselige Geschichte im Frühjahr. Und jedes Jahr verstanden die Israeliten mehr von der Geschichte; sie lernten ja die Sprache der Babylonier; das brauchten sie für ihren Alltag. Und je länger die Israeliten in Babylon blieben, desto mehr spielten auch die Kinder der Babylonier mit den israelitischen Kindern. Da blieb es nicht aus, dass die israelitischen Kinder von den Göttern der Babylonier zu Hause erzählten. Sie begannen, an die babylonischen Götter zu glauben. Wenn die Nacht finster und dunkel war und die Sterne am Himmel leuchteten, dann hatten sie Angst vor diesen babylonischen Göttern. Die israelitischen Eltern wurden immer besorgter und besprachen sich: 'Wie können wir unseren Kindern erklären, was wir glauben? Wie können wir es so erklären, dass sie es sich gut merken können?'

Und dann hatten die israelischen Gelehrten, die ja mit in Babylon waren, eine wunderbare Idee. Wir dichten so etwas wie ein Lied.

- Ein Lied, das man singen kann, wenn die Nacht dunkel ist und die Angst groß ist.

- Ein Lied, das gut erklärt: Gott hat mit seiner Geistkraft die Erde erschaffen.

- Ein Lied, das erklärt, dass die Sterne nur Lampen am Himmel sind, damit wir uns auch in der Nacht zurechtfinden.

Was für eine wunderbare Idee! Die Gelehrten machten sich an Werk. Ein Lied zu dichten ist ja nicht ganz einfach. Und noch dazu um damit zu erklären, dass Gott Himmel und Erde gemacht hat und es keine anderen Götter neben ihm gibt."

Der Vater setzt nach der langen Erzählung seinen Becher an den Mund. Doch der war leer.

Jedida räkelt sich auf ihrer Schlafmatte. "Gottes Geistkraft hat die Erde erschaffen. Sie ist stärker als jede andere ausgedachte Gottheit. Niemand muss Angst haben. Gott hat die Erde gut gemacht. Das wollten die Gelehrten den israelischen Kindern damals in Babylon mit ihrem Lied, das sie dichten wollten, erzählen. Stimmt das so, Vater?", fragte sie dann nach.

Der Vater nickt. "Gut aufgepasst, Jedida!", lobt er. "Doch jetzt ist Schlafenszeit. Ab unter die Decke. Morgen ist auch noch ein Tag."

Jedida richtet ihren Schlafplatz. "Papa? Du erzählst mir doch morgen weiter?", fragt sie.

"Na klar! Gute Nacht, Jedida! Schlaf schön und träume von den Sternen, die Lampen am Himmel sind, von Gott gemacht."

Nächste Woche erzähle ich euch weiter von dem Lied, das erklärt, dass Gott die Welt wunderbar gemacht hat.

Info:     Jedida: (die Vielgeliebte), die Mutter von König Josia

Eine Umweltgeschichte vorbereitend für 1. Mos 1,1 - 2,4 i.A.

20.4.2024

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