Josef wird in Ägypten als Sklave an Potifar verkauft. Eigentlich ist alles in Ordnung, wenn es da nicht die Frau von Potifar gäbe.
Ich bin Josef, von mir hast du ja schon gehört. Meine blöden großen Brüder haben mich in die Zisterne geworfen, draußen auf der Weide bei den Tieren.
Hier ist es finster und feucht und kalt. Mein schönes Kleid habe ich nicht mehr, nur noch mein Untergewand. Ich habe meine Beine angezogen und die Arme um meine Knie gelegt. So kann ich mich etwas warm halten. Wenn ich aus dem Brunnen herausschaue, dann sehe ich über mir den Sternenhimmel.
Meine Brüder kann ich reden hören. Nicht deutlich, doch viele verstehe ich. Sie mögen mich nicht, vielleicht hassen sie mich. Mein schönes Kleid wollen sie zerreißen und mit Tierblut tränken und so dem Vater bringen. Er soll denken, mich hat ein wildes Tier angegriffen und umgebracht. Mein armer Vater. Er wird sehr traurig sein.
Ja, und mich, mich wollen sie an eine Karawane verkaufen, die sie vorhin am Horizont gesehen haben, als es noch hell war.
Und da höre ich sie auch schon, die Karawane mit ihren Tieren, den vielen Säcken, die sie jetzt abladen. Sie haben das Feuer meiner Brüder gesehen und sich entschieden, hier die Nacht zu verbringen. Schon fangen die Brüder an, mit ihnen zu verhandeln, wie viel ich ihnen wert bin.
Das ist ein seltsames Gefühl, wenn über einen wie über einen Gegenstand gesprochen wird. Sie haben so verhandelt, als würden sie Schaffelle verkaufen.
Am nächsten Morgen werde ich von den Männern der Karawane aus der Zisterne geholt. Mir werden die Hände mit einem Seil verbunden und das Seil wird an ein Kamel gebunden. Ich muss mit dem Kamel mitlaufen.
Das war anstrengend. Unser Weg ging ja viel durch die Wüste. Schwierig war auch, sich mit den Männern der Karawane zu unterhalten. Sie sprachen nicht meine Sprache. Ein paar Worte lernte ich jedoch schnell. So ging es über viele, viele Tage, bis nach Ägypten.
Wenn ich so neben meinem Kamel herlief viel mir immer wieder ein Lied ein, dass meine Mutter mit uns kleinen Kindern sang, dem Benjamin und mir:
Gott, Gott, Gott geht mit, worauf du dich verlassen kannst. Gott, Gott, Gott geht mit, worauf du dich verlassen kannst.
In Ägypten angekommen verkaufte die Karawane all ihre Dinge, die sie durch die Wüste mitgebracht haben. Die Schätze aus den Säcken und mich. Ich stand auf einem Marktplatz und wurde angepriesen. „Junger, gesunder Hebräer, recht für jede Arbeit, kostengünstig abzugeben.“ Ich schämte mich. Ich hatte ja immer noch keine ordentliche Begleitung. Und das, was ich anhatte, war dreckig und verschwitzt. Doch egal, es kam ein ziemlich vornehmer Mann und betrachtete mich genau. Dann kaufte er mich. Ich war nun sein Besitz. Ich gehörte ihm. Was er von mir verlangte, musste ich ab jetzt tun.
Es war wieder nicht einfach. Wieder eine andere Sprache. Eine ganz andere Kultur. Keine Tiere, die betreut wurden. Ein vornehmes Haus, denn mein Herr, der Potifar, war ein Hofbeamter des ägyptischen Pharaos. Er war Befehlshaber der königlichen Leibwache. Zunächst war ich für die ganz einfachen Aufgaben zuständig. Täglich den Hof kehren. Mit auf den Markt gehen und das Gemüse heimschleppen. Das Feuerholz stapeln, das Feuerholz in die Küche bringen. Die Asche zusammenkehren und heraustragen. Solche Dinge waren es meisten. Die konnte ich schnell ganz gut. Im Haus des Potifar hatte ich mit den anderen Sklaven eine Ecke zum Schlafen und Essen gab es ausreichend.
Mein Lied begleitete mich auch hier.
Gott, Gott, Gott geht mit, worauf du dich verlassen kannst. Gott, Gott, Gott geht mit, worauf du dich verlassen kannst.
Ja, ich war mir sicher, Gott war an meiner Seite auch hier im fremden Ägypten, auch wenn ich ein Sklave war und kein freier Mensch. Das machte mich immer wieder fröhlich und zufrieden.
Und bei Potifar bemerkte ich, dass er mir wohl gesonnen war. Er mochte mich scheinbar. Immer mehr verantwortungsvolle Aufgaben übergab er an mich. Nicht mehr kehren, Holz, Gemüse, sondern ich durfte die Aufgaben, die im Haus anfielen, an die anderen Sklaven verteilen. Ich verwaltete dann auch die Hauskasse. Wenn die Köchin auf den Markt ging, gab ich ihr Geld mit und sie musste hinterher mit mir abrechnen. Wenn die Felder geerntet wurden, entschied ich, was wir im Haus des Potifar einlagerten und was wir verkauften.
Ich war nun ein junger Mann, der einiges an Verantwortung hatte. Schöne Kleidung hatte ich auch bekommen und ich selbst achtete darauf, dass meine Haare in Ordnung waren und ich immer frisch gewaschen war. Die Köchin sagte immer wieder zu mir: „Du schaust einfach gut aus, Josef!“ Das machte mich stolz.
Doch dann bekam ich ein Problem. Nicht nur die Köchin fand mich schön. Auch die Frau des Potifar. Sie machte mir schöne Augen. Sie wollte, dass ich mit ihr das Bett teilte. Was dachte die eigentlich? Potifar vertraute mir in allen Dingen. Alles hat er mir in die Hände gegeben. Da konnte ich mir doch nicht seine Frau nehmen? Ich zeigte der Frau die kalte Schulter. Ich vermied mit ihr in einem Raum zu sein. Und ich blieb standhaft. Nein, ich wollte nicht die Ehe von Potifar brechen.
Und dann kam der unglückliche Tag. Frau Potifar war alleine im Haus. Nur ich war noch da. Sie hielt mich an meinem Gewand fest und bestand darauf, dass ich jetzt mit ihr schlief. Ich wand mich aus meinem Gewand und floh aus dem Raum und aus dem Haus. Und statt endlich zu begreifen, dass ich nichts von ihr wollte, schrie sie: „Seht her, der Hebräer wollte seinen Spaß mit mir haben!“ Sie hielt mein Gewand in ihrer Hand. Sie schrie weiter: „Seht, er hatte schon seine Oberbekleidung abgelegt. Doch als ich mich verweigerte und schrie, floh er nach draußen.“
Wir warteten auf Potifar. Frau Potifar behielt die ganze Zeit mein Obergewand in ihrer Hand. Als Potifar endlich kam, erzählte sie ihm ‚ihre‘ Geschichte. Sie erzählte, dass ich sie bedrängt habe und erst als sie laut geschrieben habe, sei ich geflohen.
Potifar glaubte seiner Frau. Mich hörte er gar nicht an. Ich konnte mich nicht verteidigen. Und so kam ich in das Gefängnis, in dem die Gefangenen des Pharaos untergebracht waren.
Josef im Gefängnis, du meine Güte Wie es ihm da wohl ergeht und ob er noch sein Lied singt? Alles Fragen, die ich euch in der nächsten Folge beantworten werde.
1.Mose 39, 1-20
15.7.2023