Mit seiner Steinschleuder tötet David den großen Goliath

Ich hätte mir niemals gedacht, dass ich so mutig sein würde. So mutig. Doch es hat sich rentiert. Mein Leben hat sich total verändert.

Doch, der Reihe nach. Ich lebe in einem kleinen Dorf in der Nähe des See Genezareth. Da lebe ich schon immer. Ich bin da aufgewachsen. Ein richtiger Wildfang war ich. Schnell im Laufen, geschickt im Springen, ich fand unauffindbare Verstecke. Mit den Jungs im Dorf habe ich es gerne aufgenommen, und oft war ich die Gewinnerin.

Doch dann, vor 18 Jahren, als ich gerade dabei war, eine junge Frau zu werden, veränderte sich mein Leben. Zuerst merkte ich es gar nicht so recht. Ich hatte Tage, da konnte ich manche Arbeit nicht erledigen. Wasser vom Brunnen zu holen, zum Beispiel. Ich war dann zu schwach auf den Beinen und einen Krug auf meinen Kopf heben - undenkbar. Und das wurde schlimmer und schlimmer. Es war, als würden mich unsichtbare Fäden zusammenziehen. Mein Rücken wurde runder und runder. Aufrecht stehen - es war mir unmöglich. Etwas arbeiten - nicht daran zu denken. Selbst mich zu waschen, fiel mir unsagbar schwer. Ich war zornig auf Gott. Was hatte ich gemacht, dass ich so eine Krankheit bekomme? 

Ich hörte schon, was die Menschen im Dorf über mich tuschelten: "Die hat es als Mädchen ja auch immer darauf ankommen lassen. Immer die Wildeste. Immer die Schnellste. Das gehört sich für ein Mädchen nicht."

Schreien könnte ich, wenn ich dieses Gerede höre.

Ich versuche, mich mit meinem Leben abzufinden. Ich versuche, mich mit Gott zu versöhnen. Jeden Sabbat mache ich mich auf den Weg in die Synagoge. Auf meinen Stecken gestützt, humple ich den kurzen Weg dahin. Ich setzte mich immer gleich neben die Tür. Nur keinen Schritt mehr. Ich setzte mich auf den Boden. Keiner sieht mich an. Ich sehe auch keinen an. So ist das, Sabbat für Sabbat.

Und dann kam gestern dieser Wanderprediger vorbei. Jesus nennen sie ihn. Und alles wurde anders.

Ich saß also am Boden neben der Tür. Der Wanderprediger kommt mit einer Schar Freundinnen und Freunden zu uns in die Synagoge. Der Synagogenvorsteher eröffnet den Gottesdienst und bittet den Wanderprediger, den Psalm vorzulesen. Jesus steht also auf. Geht an das Rednerpult und fängt an: "Herr, strafe mich nicht in deinem Zorn! Denn deine Pfeile haben mich getroffen, und deine Hand hat mich niedergedrückt. Kein Fleck an meinem Körper ist heil. Sämtliche Knochen tun mir weh." Ich höre zu und denke: "Das bin ich!" Ich seufze tief. Meine Nachbarin schaut mich verwundert an. Jesus liest weiter: "Ja, ich habe schwere Fehler gemacht. Sie sind mir über den Kopf gewachsen. Sie sind so schwer wie eine Last - zu schwer für mich, um sie zu tragen. Ich bin gekrümmt und tief gebeugt." Ich ringe nach Luft. Das bin ich! Jesus liest weiter: "Den ganzen Tag bin ich traurig." Ich fange an zu weinen, erst lautlos und dann hörbar. Ich kann einfach nicht aufhören. Jesus liest weiter: "Doch Gott, auf dich setze ich meine Hoffnung. Herr, lass mich nicht im Stich! Mein Gott, bleibe nicht ferne von mir! Komm mir schnell zur Hilfe! Mein Gott, du bist meine Rettung!" Und laut für alle hörbar sage ich: "Ja, Gott, du bist meine Rettung."

In der Synagoge ist es ganz still. Ich bin auch wieder still. Man könnte eine Stecknadel fallen hören.

Jesus legt die Schriftrolle zur Seite und schaut mich an. Ich schaue auf den Boden. Doch Jesus schaut weiter. Und dann spricht er mich - mich! an: "Frau, komm nach vorne zu mir."

Meint er mich? Das kann ich doch nicht machen. Was werden die Leute im Dorf sagen? Frauen sind geduldete Gäste in der Synagoge, die können sich nicht einfach nach vorne stellen.

Ich weiß nicht, woher ich meinen Mut genommen habe. Ich bin aufgestanden. Mit meinen zitternden Beinen und meinem gekrümmten Rücken bin ich ganz vorsichtig und langsam nach vorne gegangen. Und dann stand ich da, neben dem Wanderprediger Jesus. Und dann sagte er die Worte - ich werde sie mein Leben nicht vergessen: "Frau, du bist von deiner Krankheit befreit!"

Er legte mir seine Hände auf meine Schultern. Und ganz langsam begann sich mein Rücken aufzurichten. Die Fäden, die mich bislang gekrümmt gemacht haben, waren weg. Ich konnte aufrecht stehen. Vorsichtig machte ich einen Schritt. Ich konnte laufen, einfach so.

Meine Freude suchte Worte. Ich stand in der Synagoge, vorne, wo ich nicht hingehörte, und dankte Gott:

"Gott du hast mich erhört, auf mein lautes Flehen hast du geachtet. Gepriesen bist du Gott! Du hast mein Gebet nicht abgewiesen  und deine Güte nicht von mir genommen."

Dann bin ich gegangen. Den Stecken habe ich in der Synagoge stehen lassen. Den brauche ich nicht mehr. Mein neues Leben fängt heute an. Gott sei gelobt!

Nächste Woche erzählt uns Nele wieder aus ihrem Religionsunterricht. Es geht um die Gebote.

Lk 13,10-13; Ps 38, 1-7, 16, 22-23; Ps 66, 19-20

28.6. 2025

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David heiratet Sauls Tochter Michal. Und dann muss er vor Saul fliehen.

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David singt für den traurigen König Saul