Macht hoch die Tür - ein altes Adventslied und seine Geschichte
Heute erzähle ich dir, wie das sehr bekannte Adventslied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ entstanden ist. Es ist jetzt etwas mehr als 400 Jahre alt und wurde in dieser Zeit ein beliebtes Adventslied. Gut, man merkt es an den Worten, die verwendet sind, schon, dass es alt ist, doch seine Aussage gilt bis heute.
Doch nun der Reihe nach. Georg Weissel ist ein junger Pfarrer. Gerade ist er erst fertig geworden mit seiner Ausbildung, und jetzt ist er Pfarrer an der Neuroßgärtner Kirche in Königsberg, das liegt weit im Osten.
Pfarrer Weissel ist eines Tages im Winter in der Stadt unterwegs und wird dabei – wie viele andere auch – von einem heftigen Schneesturm, der über die Ostsee in die Stadt getrieben wurde, überrascht. Der Wind war heftig, er raubte ihm beinahe den Atem. Der Schneefall war so stark, dass man fast nichts mehr sah. Pfarrer Weissel überlegte, wo er vorübergehend Schutz finden konnte. Da hatte er die rettende Idee. Er musste zum Dom, der größten Kirche in der Stadt; den konnte er auch bei diesem Wetter noch gut erreichen. Er war nicht alleine, als er auf die stattliche Kirchentür zustrebte. Mehrere Menschen hatten die gleiche Idee. Der Küster des Domes, vielleicht würden wir heute Hausmeister zu ihm sagen, öffnete den Menschen freundlich die Kirchentür und begrüßte sie: „Herzlich willkommen im Hause des Herrn. Hier ist jeder in gleicher Weise willkommen, egal ob arm oder reich, fromm oder kritisch. Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen.“
Pfarrer Weissel schüttelte sich den Schnee von seinem Mantel und dann ging er zu dem Küster: „Mensch, du hast mir gerade eine ausgezeichnete Predigt gehalten!“, sagte er zu ihm. Dann setzte er sich in eine Kirchenbank und begann nachzudenken. Der Schneesturm dauerte an, und als er endlich vorbei war, da hatte Pfarrer ein Lied geschrieben, das Lied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“.
Warum ist ihm das so schnell gelungen? Nun, er wusste, auf welchen Psalm sich der Küster mit seiner Begrüßung „Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen“ bezogen hatte.
Psalm 24. Da heißt es: Ihr Tore des Tempels seid hocherfreut! Ihr Türen der Urzeit, öffnet euch weit! Es kommt der König der Herrlichkeit! Wer ist der König der Herrlichkeit? Es ist der Herr – er ist stark und mächtig! Es ist der Herr – er ist machtvoll im Kampf! Ihr Tore des Tempels, seid hocherfreut! Ihr Türen der Urzeit, öffnet euch weit! Es kommt der König der Herrlichkeit! Wer ist der König der Herrlichkeit? Es ist der Herr der himmlischen Heere. Es ist der König der Herrlichkeit!
Nun war das Lied fertig, doch noch war es nicht gesungen. Es dauerte nicht lange und Pfarrer Weissel hatte einen wunderbaren Anlass, sein erstes Lied öffentlich singen zu lassen.
Es gab da nämlich ein Problem in seiner Gemeinde. Da war ein sehr reicher Kaufmann, der sehr viel Geld der Gemeinde spendete, sich aber sehr egoistisch verhielt.
Er baute sich ein großes, schönes Haus und war ganz stolz darauf. Was ihn an seinem Haus störte, waren seine Nachbarn. Da war ein Heim für Arme, Alte, Kranke. Und diese Menschen, man sah ihnen schon an, dass sie schlecht beieinander waren, schlurften Tag für Tag an seinem Haus vorbei, über einen Trampelpfad durch den Park vor seinem Haus. Dieser Weg war der schnellste für diese Menschen in die Kirche und in die Stadt. Und wenn man alt, krank und schwach ist, dann liebt man den kurzen Weg.
Der Kaufmann überlegte, was er tun könnte, damit er nicht, immer wenn er aus dem Fenster schaute, schon wieder diese erbärmlichen Gestalten sehen musste. Und dann hatte er einen Plan. Er kaufte den Park mit dem Trampelpfad. Baute auf die eine Seite ein prachtvolles Tor, und auf die andere Seite eine kleine Pforte. Und beides verschloss er fest. Nun konnte nur noch er rein und raus, und die anderen mussten einen weiten Umweg gehen, um in die Stadt und die Kirche zu kommen.
Die Armen, Alten, Kranken und Schwachen klagten dem Pfarrer Weissel ihr Leid. Der Pfarrer verstand sie sehr gut. Doch was sollte er machen? So eine Situation verlangte Fingerspitzengefühl. Die Jahreszeit kam der Situation entgegen. Es war Advent. Da war es üblich, dass von der Gemeinde aus organisiert wurde, dass der Chor vor den Häusern der Reichen sang. Sie bedankten sich damit für die Spenden, die sie schon bekommen hatten, und hofften natürlich auch mit ihrem Gesang, eine neue Spende zu bekommen. Doch dieses Jahr war es schwierig, den Chor zu überzeugen, dass sie auch beim reichen Kaufmann sangen. Da zog der Pfarrer sein Lied hervor: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Der Chorleiter wurde nachdenklich. Das wäre ein gutes Lied für die verschlossenen Türen. Der Pfarrer versprach, dass er mitkommen wollte, wenn der Chor dort sang. Und der Pfarrer organisierte, dass auch all die Armen, Kranken und Alten dazukamen. Es war eine stattliche Prozession, die an diesem Abend auf das Haus des Kaufmanns zulief, doch weiterlief, bis zum großen neuen Tor. Dort stellten sie sich auf. Der Kaufmann hatte es gesehen und kam an das Tor. Da fing der Chor zu singen an:
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit;
es kommt der Herr der Herrlichkeit,
ein König aller Königreich,
ein Heiland aller Welt zugleich,
der Heil und Leben mit sich bringt;
derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
mein Schöpfer reich von Rat.
Der Kaufmann hat sehr aufmerksam zugehört. Das Lied hat sein Herz angerührt. Der Pfarrer fand dann noch die richtigen Worte dazu: „Ich bitte euch, öffnet das große Tor für die Menschen und ihren kurzen Weg, und bitte öffnen sie ihr Herz, dass darin der Herr der Herrlichkeit, der König aller Königreiche einen Platz darin finde.“ Der Kaufmann dachte nach. Dann griff er in seine Hosentasche und holte den Schlüssel heraus. Er sperrte das große Tor auf und lud alle ein, hereinzukommen. Auch die kleine Pforte schloss er auf. Da sang der Chor eine weitere Strophe:
O wohl dem Land, o wohl der Stadt, so diesen König bei sich hat.
Wohl allen Herzen insgemein,
da dieser König ziehet ein.
Er ist die rechte Freudensonn,
bringt mit sich lauter Freud und Wonn.
Gelobet sei mein Gott,
mein Tröster früh und spat.
Der Kaufmann lud alle in sein Haus ein, auch die Alten und Kranken. Es gab Tee und Adventsgebäck.
Der Weg durch den Park wurde nicht mehr verschlossen. Er wurde ab sofort Adventsweg genannt.
Wir begeben uns in diesen Tagen auch auf unseren Adventsweg. Bei uns geht es wohl eher seltener um große, verschlossene Tore. Doch auch wir können in den Tagen aufmerksam sein und überlegen: Wie wollen wir das Jesuskind in der Krippe begrüßen? Wie uns darauf vorbereiten? Streit und Ärger sind keine guten Vorbereitungsbegleitungen. Versöhnung und Wohlwollen passen viel besser dazu. Dann kann in unsere Herzen dieser himmlische König einziehen, der an Weihnachten in der Krippe liegt.
Nächste Woche geht es wieder um ein Adventslied. Lass dich überraschen.
Ps 24,7-8
Lied: Text: Georg Weissel (1623)
Melodie: Johann Anastasius Freylinghausen (1704)
Geschichte: Bibellesebund, Macht hoch die Tür; eine Geschichte zu Weihnachten; Nach einer Erzählung von Werner Krause
29.11.2025