Das Hemd des Glücklichen. Und ein Satz aus einem Psalm.

Nele sitzt an ihren Hausaufgaben. Rechnen und Deutsch hat sie schon gemacht. Es fehlt nur noch Religion. Das ist nicht schwer, das macht ihr Spaß. Sie soll ein „Hemd“ ausmalen. Das Hemd des Glücklichen. Eigentlich ist es mehr ein kurzes Nachthemd mit kurzen Ärmeln, oder ein langes kurzärmliges T-Shirt. Aber egal.

Nele überlegt welche Farben sie nimmt: Gelb, gold, rot, orange, vielleicht noch ganz wenig dunkelblau.

Während Nele so vor sich hinmalt geht ihr die Geschichte aus dem Religionsunterricht noch durch den Kopf. Die Religionslehrerin hat sie erzählt. Wieder eine Geschichte, die nicht aus der Bibel ist, aber zur Bibel passt, hat die Religionslehrerin erklärt und dann hat sie angefangen zu erzählen:

„Da war einmal ein alter, reicher und mächtiger König und der wurde schwer krank. Niemand, wirklich niemand, konnte ihm helfen. Es war ganz hoffnungslos.

Eines Tages kam ein alter Mann an den Königshof und erklärte, er wolle dem König helfen. Man ließ ihn also zum König. Der alte Mann schaute den König lange an, dann sagte er: ‚König, um gesund zu werden, brauchst du das Hemd des Glücklichen. Finde es und ziehe es jeden Tag an.‘

Der alte Mann verschwand und der ganze Königshof begann nach dem Hemd des Glücklichen zu suchen. Manche machten sich tage, ja wochenlang auf den Weg. Doch wer auch immer wieder zurückkam, hatte das Hemd nicht gefunden.

Da schickte der König seinen eigenen Sohn los. Er sollte für ihn das Hemd des Glücklichen finden.

Der Königssohn zog durch das ganze Reich und suchte eifrig. Doch was fand er? Die Menschen waren eigentlich alle unglücklich. Der eine war reich, war aber krank. Der andere war recht gesund, aber litt bittere Not.

Der Königssohn war schon ganz verzweifelt und glaubte nicht mehr daran, seinem Vater helfen zu können. Doch dann war er weit ab, in einer einsamen Gegend, da sah er abends in einer Hütte ein Kerzenlicht brennen. Er hörte eine alte Stimme singen: 'O glückliches Leben, ich bin dir ergeben! Glück in meinem Herzen erleuchte mein Leben!'

Nicht alles hatte er verstanden, doch diese zwei Sätze konnte er sich merken. In diesem Haus musste das sein, was er suchte. Der Königssohn klopfte an. Die Tür ging auf und ein alter Mann bat ihn in sein Haus. Er bewirtete ihn mit einfachen Speisen und bot ihm ein Lager für die Nacht an. Der Königssohn bedankte sich von Herzen und erzählte dem alten Mann dann, dass er auf der Suche nach dem Hemd des Glücklichen war, um es seinem geliebten Vater zu bringen. Mit diesem Hemd sollte der Vater wieder gesund werden. Er fragte den alten Mann, ob er bereit sei, seinem Vater mit dem Hemd des Glücklichen zu helfen.

Der alte Mann schaute den Königssohn erstaunt an und meinte: ‚Ich bin zwar glücklich, doch mein Hemd kann ich dir nicht geben.‘

Der Königssohn erklärt nochmals dem alten Mann, wie wichtig das Hemd des Glücklichen für seinen Vater sei.

Der alte Mann antwortete: ‚Gerne würde ich dir mein Hemd geben, aber ich habe kein Hemd unter meinem Kittel.‘

Der Königssohn wurde ganz traurig, doch der Alte sagte zu ihm: ‚Gehe zu deinem Vater zurück und sage ihm den schlauen Satz vom Alten, der euch im Schloss besucht hat. Finde das Hemd des Glücklichen und ziehe es jeden Tag an!

Am nächsten Morgen bedankte sich der Königssohn und ging auf dem schnellsten Weg zum Königspalast zurück. Ein ganzes Jahr war er jetzt unterwegs gewesen. Inzwischen war der König sterbenskrank und lag in seinem Bett. Ganz vorsichtig lächelte er, als er seinen Sohn sah.

Der Sohn setzte sich an das Bett seines Vaters und erzählte ihm von dem glücklichen, alten, armen Mann und dass er kein Hemd besaß.

Das machte der Königssohn nun Tag für Tag, immer wieder erzählte er seinem Vater von dem glücklichen, armen, alten Mann, der kein Hemd besaß.

Nach und nach ging es dem König besser. Manchmal konnte er schon in einem weichen Stuhl sitzen. Dann später draußen in der Sonne. Der König wurde wieder ganz gesund.

Immer wieder saß er alleine, für sich, er lächelte und summte und träumte vor sich hin. Und wenn man dann jemanden am Königshof fragte, was den der König gerade macht, dann sagten sie: ‚Der König zieht gerade das Hemd des Glücklichen an!‘

Nele war jetzt eigentlich fertig mit ihrem Hefteintrag für Religion. Kritisch schaute sie noch einmal über das „Hemd des Glücklichen“, ja, es war ihr gut gelungen. Die Überschrift hatte sie auch ordentlich geschrieben. Jetzt fehlte nur noch der Satz, der an der Tafel stand, und den sie vergessen hatte abzuschreiben – weil sie noch schnell mit Inge etwas besprechen wollte. Mist! Wie hieß der bloß noch?

Er hatte was mit Gott zu tun. Das wusste sie noch. Und dass er in der Bibel steht. Oje, Nele dachte an die dicke rote Bibel im Wohnzimmer. In so einer Bibel stehen seeeeehr viele Sätze. Da den richtigen zu finden, das war wohl nicht zu schaffen. Inge brauchte sie auch nicht anzurufen, die hatte ja auch geschwätzt.

Also nochmals nachdenken: Gott und Glück kam vor. Ein Psalm war es auch, das fiel ihr gerade noch ein.

Es half nichts, sie musste Mama fragen.

„Mama, weißt du einen Satz aus einem Psalm, in dem Gott und Glück vorkommt?“, Nele stürmte in die Küche. Mama drehte sich um und schaute Nele etwas verwirrt an. „Ein Satz aus einem Psalm, mit Gott und Glück? Nele, du traust mir ja viel zu, aber wie soll ich das wissen? Wozu brauchst du den Satz denn?“ Da musste Nele erzählen, dass sie mit Inge geredet hatte, statt den Satz abzuschreiben, wie konnte sie auch wissen, dass die Religionsstunde so schnell zu Ende sein würde.

„Also gut“, sagte Mama, „probieren wir unser Glück. Es gibt ja nur 150 Psalmen in der Bibel. Lesen wir mal die Überschriften von diesen 150 Psalmen, vielleicht hilft uns das weiter.“ Sie zog mit Nele ins Wohnzimmer, legte die große rote Bibel auf den Tisch und suchte die Psalmen, die waren ziemlich in der Mitte von der Bibel. 150 Überschriften. Nele wurde ganz schwindelig bei dem Gedanken. Immer las Mama eine Überschrift und dann Nele eine. So viele unbekannte Worte. Nele musste sich anstrengen. Jetzt waren sie schon beim 70. Psalm und immer noch nichts. Doch dann beim 73. Psalm ‚Gott nahe zu sein ist mein Glück‘ stand da. Nele jubelte! „Genau der Satz war es!“ Nele holte ihr Religionsheft und schrieb den Satz aus Psalm 73 ordentlich unter ihr Bild.

So hatte es die Religionslehrerin erklärt: „Man braucht kein Hemd. Man kann es machen wie der König. Sich hinsetzen, stille sein und an Gott denken. Ihr wisst, Gott meint es gut mit euch. Auch wenn es euch mal schlecht geht, ist Gott an euerer Seite. Also bleibt ihr auch nahe bei ihm. Denn: Gott nahe zu sein ist mein Glück, erzählt die Bibel in Psalm 73.

Leo Tolstoi hat sich die Geschichte vom „Hemd des Glücklichen“ ausgedacht. Du findest sie im Internet.

https://maerchenhaft.erfuelltes-leben.de/hemd-des-gluecklichen/

Und nächste Woche erzähle ich euch eine Jesus-Geschichte von einem sehr reichen Bauern, der arm dran ist.

Ps 73,28

 4.11.2023

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Zachäus klettert auf einen Baum und wird glücklich.