Langt es, wenn die Scheunen voller Korn sind?

Ich bin Thomas, vielleicht erinnerst du dich noch an mich.

Ich bin ein Freund Jesu und ganz oft an seiner Seite. Ich liebe es, wenn er den Menschen Geschichten erzählt und ihnen so das Leben an der Seite Gottes erklärt. Da erfahre ich immer auch viel über mich selbst.

Heute war wieder so ein Tag mit so einer Geschichte. Manchmal denke ich, Jesus erzählt die Geschichten ausschließlich für mich.

Wenn ich ganz ehrlich bin, fordert mich das Leben an der Seite von Jesus oft ganz schön heraus.

Es ist immer alles so unsicher. Wo gehen wir heute hin? Wo werden wir schlafen? Werden wir überhaupt eine Übernachtungsmöglichkeit finden? Was gibt es zu essen? Finden wir einen Brunnen mit gutem Wasser auf unserem Weg? Sind die Leute, denen wir begegnen, freundlich? Jeden Morgen, diese vielen Fragen. Und es ist nicht so, dass ich jeden Abend sagen könnte: Ist doch alles gut gegangen! Nein, es gibt auch Abende, wo mein Magen knurrt, weil es nicht genug zu essen gab. Es gibt auch Nächte, an denen wir draußen schlafen, weil es keine Herberge für uns gab. Eigentlich müsste ich ein kleines Haus haben, eine ordentliche Arbeit und einige gefüllte Tonkrüge mit Vorräten: Getreide, Oliven, getrocknete Früchte, getrocknetes Fleisch. So müsste ich eigentlich leben.

Doch ich ziehe mit Jesus von Ort zu Ort und lasse mich jeden Tag auf das Wagnis ein. Ja und heute erzählt er eine Geschichte, die zu mir passt. Aber er erzählt sie, weil einer fragt: "Jesus, sagt doch meinem Bruder, dass er das Erbe mit mir teilen soll." Jesus schaut ihn an und: "Hey, wie kommst du darauf, dass ich ein Richter oder ein Vermittler in euerem Erbstreit sein soll!"

Und dann schaut er die anderen alle an, die um uns herum sitzen, und sagt: "Hütet euch vor der Habgier. Denn auch wenn einer alles hat, ist sein Leben deshalb nicht unbedingt sicher. Hört zu, ich erkläre es euch mit einer Geschichte."

Wir machten es uns noch ein Stückchen bequemer an unserem Platz und waren gespannt, was Jesus uns erzählt.

Und dann begann Jesus: "Die Felder eines reichen Großbauern brachten eine besonders gute Ernte ein. Das Wetter hatte gepasst. Keine Schädlinge. Alles Bestens. Doch der Großbauer schaute sorgenvoll drein. Er überlegte und überlegte. Wohin sollte er mit seiner großen Ernte? Er hatte einfach nicht genug Platz, um alles gut zu lagern. Dann hatte er eine Idee: 'Ich reiße meine alten Scheunen ab und baue größere', sagte er zu sich selbst. So kann ich alles trocken und sicher verwahren. Gesagt, getan. Die Knechte staunten nicht schlecht, als sie am nächsten Morgen den Auftrag bekamen: 'Reißt die Scheunen ein! Ich will größere Scheunen bauen, um meine Ernte gut zu lagen.' Die Knechte machten sich ans Werk. Eifrig rissen sie die alten Scheunen ab, um neue bauen zu können.

In der Zeit saß der Großbauer am Rande und schaute zu. Zufrieden nickte er mit dem Kopf und sagte zu sich: 'Nun habe ich viele, viele, viele, Vorräte. Das wird für viele Jahre reichen. Komm, gönne dir Ruhe, du reicher Großbauer. Genieße das Leben, iss und trink und genieße.'

So sprach der Großbauer zu sich selbst. Doch dann mischte sich Gott in dieses Gespräch ein und sprach den Großbauern an: 'Du Narr!' sagte er zu ihm. Noch in der heutigen Nacht werde ich dein Leben von dir zurückfordern. Und, wem gehört dann das, was du angesammelt hast?'"

Um mich herum wurde es unruhig. Was hat Jesus da erzählt? Er will das Leben des Großbauern zurückfordern. Und was geschieht dann mit seinem vielen Korn?

Jesus hob seine Hand: "Einen Moment noch, Freunde", sagte er. "Einen Satz habe ich noch: So geht es dem, der für sich selbst Schätze anhäuft, aber bei Gott nichts besitzt."

Es war still bei uns Zuhörern.

Mein Kopf dachte und dachte. Am Anfang gefiel mir die Geschichte wunderbar. Da ist einer, der hat Glück. Seine Ernte ist großartig. Und ein guter Verwalter seiner Ernte ist er auch. Er will neue Scheunen, noch größere, bauen, um alles sicher einzulagern. Ja, und erleichtert ist er auch. Er will sich Ruhe gönnen und das Leben genießen, jetzt hat er ja ausgesorgt. Also, der Großbauer war mir irgendwie sympathisch. Der macht doch alles richtig.

Und dann das Ende der Geschichte. Ich weiß nicht. Kann ich das verstehen?

Ein bisschen verwundert war ich, dass der Großbauer so ganz alleine war. Hatte er keine Frau und keine Familie, hatte er keine Freunde, die sich mit ihm über die tolle Ernte freuten? Gab es niemanden, dem er etwas von seinem großen Vorrat abgeben wollte, dem er eine Freude machen wollte? Gab es auch keinen, der ihm anbot: 'Komm, in meiner Scheune ist noch Platz, da kannst du was einlagern.'?

Hat er bei all seiner Arbeit für eine gute Ernte und bei all seiner Sorge, seine Sachen richtig zu verwalten und ordentlich zu lagern womöglich vergessen, dass es noch mehr gab als "ausgesorgt" zu haben?

Ist es das, was Gott ihm sagt?

Ist es das, was Jesus mit der Geschichte erzählt, mir erzählt?

So gesehen habe ich es gut, viel besser als der reiche Großbauer. Ich habe täglich Freunde um mich herum. Gemeinsam lachten wir und sind bedrückt, wenn es einem von uns schlecht ging. Gemeinsam überstehen wir auch fast schlaflose Nächte im Freien. Und gemeinsam kümmern wir uns Tag für Tag darum, dass wir ausreichend Essen haben.

Ja, und das ganz große Glück in meinem Leben ist, mit Jesus zusammen zu sein. Seine Nähe zu erleben und die vielen wunderbaren Geschichten zu hören und manchmal auch zu verstehen.

Die heute habe ich verstanden. Es geht nicht darum, möglichst volle, möglichst große Scheunen zu haben. Es geht darum, bei Gott Schätze zu sammeln. Und wie ich das mache, das habe ich schon gelernt. Ich habe ein offenes Ohr für die Menschen. Ich höre mir die Sorgen und Probleme an und freue mich mit den Fröhlichen. Ich teile mein Brot und das Wasser. Ich übe mich in Zuversicht und Gottvertrauen. Täglich übe ich mich darin, wenn ich mit Jesus und seinen Freundinnen und Freunden durch das Land ziehe.

Und nächste Woche geht es um das Verschwenden. Darf man das? Da sind sich Jesus und seine Freunde und Freundinnen zunächst gar nicht einig.

Lk 12, 13-21

 11.11.2023

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