Was macht die Frau da? Verschwendung oder Liebe?

Ich bin Thomas, ein Freund von Jesus.

Mit diesem Jesus habe ich schon viele besondere Sachen erlebt. Doch das, was gestern war, das war wirklich außergewöhnlich.

Das fing schon damit an, dass wir bei Simon eingeladen waren. Der ist ein Pharisäer. Pharisäer kennen sich in der Heiligen Schrift sehr gut aus. Sie kennen alle Gebote - und halten sie. Und sie streiten sich gerne mit Jesus über das richtige Leben vor und mit Gott. Die Pharisäer wissen alles besser und die Gebote sind ihnen wichtiger als die Menschen - so habe ich sie immer erlebt. Und von so einem lässt sich Jesus einladen.

Dieser Simon ist ein reicher, angesehener Mann und es war ein großes Abendessen vorbereitet. Simon und Jesus hatten sogar Liegen, auf denen sie das Essen zu sich nehmen konnten, so wie es die Römer gerne machen.

Also, das Essen hatte schon angefangen, da tauchte eine Frau in unserer Runde auf. Die war nicht eingeladen, das sah ich sofort an Simons Gesicht. Er machte eine Handbewegung, die sagen sollte: "Geh hier weg!". Doch die Frau blieb.

Da fingen Simon und seine Diener zu tuscheln an. So laut, dass ich es hören konnte. Die Frau hörte es sicherlich auch.

"Was will die denn hier? Hier im Haus eines Pharisäers? Die hält sich doch nicht an die Gebote von Gott. Die ist doch gottlos. Sie hat hier nichts zu suchen."

So redeten sie miteinander.

Die Frau stand hinter der Liege von Jesus. Dann trat sie vor an seine Füße und kniete sich hin. Sie weinte still vor sich hin. Die Tränen rannen über ihr Gesicht und tropften auf die Füße von Jesus. Da nahm sie ihre langen Haare und trocknete die Füße von Jesus ab.

Sowas hatte ich noch nie gesehen. Doch es war noch nicht zu Ende. Sie küsste die Füße von Jesus und hatte dann ein Fläschchen in der Hand, öffnete es und salbte die Füße von Jesus mit einem kostbaren Öl aus diesem Fläschchen. Es duftete wunderbar.

Die Frau stand wieder auf und trat zurück.

Jetzt hatte der Pharisäer Simon seine Sprache wieder gefunden: "Jesus, wenn du ein Prophet wärest, dann wüsstest du, was das für eine Frau ist, der du erlaubt hast, dich zu berühren und noch viel mehr." Es lag ein großer Vorwurf in der Stimme von Simon.

Jesus richtet sich auf seiner Liege etwas auf und sah Simon an. "Simon, ich will dir was erzählen. Hörst du mir zu?"

Simon nickte: "Sprich, Jesus."

Jesus begann: "Zwei Männer hatten Schulden bei einem Geldverleiher. Der eine schuldete dem Geldverleiher 150 Silberstücke, der andere 50 Silberstücke. Beide konnten sie ihre Schulden nicht zurückzahlen. Da schenkte der Geldverleiher ihnen ihre Schulden. Welcher von beiden wird den Geldverleiher wohl mehr lieben?"

Jesus schaute Simon erwartungsvoll an.

Der sagte: "Ich denke, der mit den Schulden von 150 Silberstücken wird den Geldverleiher mehr lieben."

"Du hast recht, Simon", sagte Jesus.

Diese Geschichte war mir klar. Auch ich hätte gesagt, der, der mehr Schulden erlassen kriegt, liebt den Geldverleiher mehr. Doch was hat diese Geschichte mit dem Geschehen gerade zu tun?

Hier ging es doch um eine Frau, die außerhalb der Regeln der Heiligen Schrift lebt. Die sich nicht streng an die Gebote hielt, sondern ihre eigenen Regeln aufstellte. Eine, die sich die Freiheit nahm, Jesus zu berühren und ihn mit kostbarem Öl zu salben.

Doch die Geschichte ging noch weiter.

Jetzt drehte sich Jesus zu der Frau um und sprach wieder zu Simon: "Simon, siehst du diese Frau? Sie hat vieles anders gemacht als du. Als ich in dein Haus kam, hast du mir nicht - wie es bei uns oft üblich ist - Wasser gebracht, damit ich mir meine staubigen Füße waschen kann. Doch sie hat meine Füße mit ihren Tränen gewaschen und mit ihren Haaren getrocknet."

Ich hielt die Luft an.

Jesus hatte schon recht. Ein wirklich aufmerksamer Gastgeber war Simon nicht. War ihm Jesus der Aufwand nicht wert? Keine Ahnung. Doch das von Jesus so deutlich anzusprechen, war schon besonders. Simon könnte jetzt ärgerlich werden.

Doch Jesus sprach weiter.

"Du, Simon hast mir keinen Kuss zur Begrüßung gegeben. Diese Frau hat mir die Füße, wieder und wieder geküsst. Und sie hat mich mit kostbarem Öl gesalbt. Und deshalb sage ich dir, dieser Frau sind ihre vielen Sünden vergeben. Sie ist nicht mehr von Gott getrennt. Sie ist von ihm geliebt. Deshalb konnte sie mir soviel Liebe und Ehre erweisen. Es ist wie vorhin in der Geschichte vom Geldverleiher. Der, der viel geschenkt bekommt, der liebt mehr. Und der, der wenig geschenkt bekommt, liebt weniger. Diese Frau hat verstanden, dass sie viel geschenkt bekommt."

Und dann spricht Jesus die Frau an und sagt: "Dir sind deine Sünden vergeben! Dein Glaube hat dir ein neues Leben geschenkt. Gehe in Frieden!"

Du liebe Zeit. Was für Worte. Jesus vergibt ihr alles Sünden und wünscht ihr Frieden für ihr weiteres Leben.

Die Frau ist strahlend gegangen.

Und im Haus des Simon wurde noch lange diskutiert. Was das in Ordnung, was die Frau gemacht hat? Kann Jesus Sünden vergeben? Wer ist dieser Jesus eigentlich?

Für mich alles keine Fragen.

Klar kann die Frau sich so verhalten. Sie hat erkannt, dass Jesus Gott von einer anderen Seite vorstellt. Nicht von der Seite der Gebote, sondern von der liebenden Seite aus.

Klar kann Jesus Sünden vergeben.

Und, er ist Gottes Sohn.

Wieder mal ein denkwürdiger Tag mit Jesus, und ich bewundere diese Frau für ihren Mut, in das Haus von Simon zu gehen, um Jesus zu treffen. Und zunächst hatte ich gedacht, was für eine Verschwendung von diesem Salböl, das mit Sicherheit sehr teuer war. Sie hätte es Jesus auch schenken können und wir hätten es verkauft und Brot damit bezahlt. Doch es war keine Verschwendung, sondern ein Zeichen der Liebe und Aufmerksamkeit. Das hatte ich dann auch noch gelernt.

Und nächste Woche denkt Thomas darüber nach, woran er sein Herz hängt und dass Stille etwas Wunderbares ist.

Lk 7, 36-50

18.11.2023

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Thomas genießt einen ruhigen Tag. Die Stille lädt ihn ein nachzudenken.

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Langt es, wenn die Scheunen voller Korn sind?